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KNS006 – Nacktmulle an die Macht

Marielle und Katrin stellen heute Forschungsnachrichten aus den Themengebieten Bakterienbekämpfung, Krebsvorsorge, Erinnerungsleistung und Gehirnwellen, Lithium-Schwefel-Batterien, Genomsequenzierung von Pferden, Leber-Organoiden nebst weiteren Meldungen vor. Katrin stellt das Buch "Letters to a Young Scientists" von E.O. Wilson vor und gemeinsam leiten wir daraus ein paar Ratschläge für Studienwahl und wissenschaftliche Karriere ab. Hoffentlich könnt ihr daraus was für euch ableiten. Unstrukturiertes Gelaber gibt es auch wieder: zu E-Zahnbürsten, Spam-Bots und den Podcasts, die wir so hören (Linkliste in den Kommentaren zur Sendung). Natürlich lösen wir auch das Kuriosum und die Hausaufgabe aus KNS005 auf. Finger hoch, wer's richtig hatte!

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Sendungsnotizen


Wissenschaftsnachrichten

Die Schwäche der Bakterien

  • Silber wurden seine antimikrobiellen Wirkungen schon von Hippokrates zugeschrieben (ca 400 BC) – nun kennen wir den Mechanismus
  • Das könnte eventuell auch dem Problem mit der wachsenden Zahl an Resistenzen Herr werden
  • Gelöste Silberionen sind auf zwei Weisen für Bakterien gefährlich:
    • sie machen die Zellmembran permeabler und
    • stören den Metabolismus der Zelle, es kommt zur vermehrten Produktion reaktiver Sauerstoff-Moleküle
  • Vor allem letzterer Mechanismus ist auch die vermutete Wirkweise vieler Antibiotika
    • Silber könnte die Wirkung verzehn- bis vertausendfachen
    • gesteigerte Durchlässigkeit der Membran erlaubt Antibiotika, besser in die Zellen einzudringen
  • Test an einem gram-negativen Bakterium mit dem Antibiotikum Vancomycin war erfolgreich
  • Das Problem: Silber kann auch für uns gefährlich sein!
    • 1990er: teil-versilberte Herzklappen -> Infektionen wurden erfolgreich verhindert, aber auch das Herzgewebe wurde angegriffen
    • Wenn man zu viel Silber verspeist, kann man Argyrie bekommen: Eine permanente Verfärbung der Haut ins Schiefergrau
  • Welche Konzentrationen sind sicher? Welche Konditionen des Silbers sind für den Effekt verantwortlich? Und wie sieht es mit der Umweltverträglichkeit aus?
  • Morones-Ramirez, J., Winkler, J. A., Spina, C. S. & Collins, J. J. Sci. Transl. Med. (2013).

Erinnerung an Begriffe ist sicherer, wenn Bildinformatioen mit abgerufen werden können

  • Publikation: Staudigl T, Hanslmayr S (2013) Theta Oscillations at Encoding Mediate the Context-Dependent Nature of Human Episodic Memory. Current Biology 23: 1101–1106.
  • Wörter wurden vor Videohintergrund eingeblendet
    • Erinnerung getestet durch Anzeigen der Wörte, aber teilweise vor anderem Videohintergrund
    • gleiche Videos => bis zu 10% bessere Erinnerung (“Kontexteffekt”)
    • Vorhersagbarkeit durch Kenntnis der Gehirnwellen
      • 2-Schienen-Strategie: Lerneffekt zeigen und physiologische Grundlagen messen
  • Magnetoenzephalographie: Ionenfluss in Nervenzellen erzeugte schwache elektro-magnetische Felder
  • episodisches Gedächtnis: selbst-Erlebtes (semantisches Gedächtnis: Faktenwissen)
    • Erinnerung ist bekannterweise Kontext-sensitiv => offenbar Verküpfung während des Abspeicherns
    • Vorhersage der Erinnerungsleistung aufgrund der Theta- & Gamma-Wellenmuster
      • Kontext gleich: starke Theta-Wellen beim Abspeichern => gute Erinnerung (schlecht wenn Kontext verschieden)
  • Lerntip: Lernumfeld der Prüfungsituation anpassen
    • für Podcasts: Kapitelbilder einbinden! ;-)
  • Ausblick: Beeinflussung der Gedächtnisleistung durch Stimulation von Gehirnwellen.
  • Obligatorische Popkulturreferenz: Remember Me

Das Geheimnis der Nacktmulle

  • Nacktmulle sind speziell
    • unterirdische eusoziale Kolonien von 20-300 Tieren mit einer Königin
  • Nacktmulle sind resistent gegen Krebs!
  • Krebs wird normalerweise in Mäusen erforscht, und es gibt Mäuselinien, die besonders anfällig für Krebs (oder spezielle Typen davon) sind
  • Idee: Welche Nagetiere leben in freier Wildbahn sehr lange (d.h. sind wohl wenig anfällig für Krebs)? -> Nacktmulle leben Dekaden! Woher kommt ihre Resistenz?
  • Was im Labor auffiel: in Kultur wuchsen die Nacktmull-Zellen auffällig weit von einander entfernt, und der Kulturinhalt wurde schnell zäh
  • -> Hyaluronan! (Zellmatrix) Die Moleküle sind in Nacktmullen ~5-mal größer als in Mäusen, Ratten & Menschen
    • vermutlich, damit die Haut flexibel genug ist für das unterirdische Leben
  • Test: Infektion von Nacktmullzellen mit krebsauslösenden Virenproteinen
    • normale Nacktmullzellen: kein unkontrolliertes Wachstum
    • Nacktmullzellen mit zerstörter Matrix (Hemmung der Produktion, oder enzymatischer Abbau): Krebs!
  • Tian, Xiao, et al. “High-molecular-mass hyaluronan mediates the cancer resistance of the naked mole rat.” (2013)
  • HA-abbauenden Enzymen als Ziel für Krebsmedikamente im Menschen?

Alte Idee, neue Hoffnung: Lithium-Schwefel-Batterien

  • Die Schwächen von Lithium-Ionen-Batterien treten immer deutlicher zu Tage: teuer, geringe Kapazität
  • Eine alternative Idee stammt aus den 1960ern: Lithium-Schwefel-Batterien
  • Li-Ionen-Akkus: Li-Ionen werden zwischen den Polen hin- und her-transferiert
  • Das Ziel: ein Material finden, das eine größere Menge Lithium pro Volumen speichern kann: Erhöhung der Energie-Dichte
  • Schwefel kann genau das, ist dazu in Massen verfügbar und dadurch auch billig
  • Theoretisch könnte eine Batterie mit Lithium-Anode & Schwefel-Kathode eine 5-fache Energiedichte aufweisen im Vergleich zu heutigen Batterien (wo die Ionen in den Poren der Pole sitzen, aber chemisch nicht gebunden sind -> Kohlenstoff- & Metalloxid-Elektroden)
  • Das Problem mit Schwefel: es leitet Li-Ionen ziemlich schlecht, und über mehr als ein paar Dutzend Ladezyklen kam man nicht hinaus, da Li & S lösliche Verbindungen eingehen: Das Elektrolyt wird damit angereichert, und die Schwefel-Elektrode degradiert
  • Heute gibt es neue Ideen, das Problem zu minimieren:
    • Man muss die Polysulfide festhalten, zB mit Kohlefasern & Zuckerpolymeren,
    • man könnte die S-Elektrode in Titandioxid-Schalen verpacken (nach 1000 Ladezyklen noch 70% der Kapazität)
    • Oder das Problem ar nicht erst entstehen lassen: neue Schwefel-basierte Festsubstanzen, die LithiumIonen besser leiten als reiner Schwefel

Pferd! Ältestes Genom bisher sequenziert

Selbstorganisierte Leberknospen als Leberersatz

  • Transplantierte Leberknospen aus menschlichen Stammzellen übernehmen Leberfunktion in Mäusen (Sekretion leber-spezifischer Proteine, Produktion menschlicher Leber-Metabolite, eigenständige Anbindung an den Blutkreislauf)
  • Allerdings: Das Resultat ist noch sehr vorläufig, und die Langzeitentwicklung ist noch nicht bekannt
  • Wie es funktioniert:
    • Man nehme iPS-Zellen (induzierte pluripotente Stammzellen) aus menschlicher Haut, Endothelialzellen aus Nabelschnurblut, und mesenchymale Stammzellen
    • Im richtigen Verhältnis und idealen Bedingungen entstehen selbst-organisierte Leberknospen, die anschließend transplantiert wurde

Laser zur Bestimmung von Krankheiten des Blutes

  • die neue Technik beruht auf zwei Prinzipien:
    • Krankheiten wie Malaria verändern die Form roter Blutkörperchen
    • photoakustischer Effekt (entdeckt von Alexander Graham Bell in 1880, der eher für die Weiterentwicklung des Telefons (Antonio Meucci) bekannt ist)
      • Wenn ein Material gepulstes Licht (wie zB Laser) absorbiert, produziert es Schallwellen
      • heute bekannt: Absorption -> Erhitzung -> Ausdehnung -> Entstehung von Schall
  • mit heutigen Lasern (fs – ns Bereich) können sehr schnelle Pulse auf Zellen “geschossen” werden: hochfrequente Schallerzeugung (hohe Frequenzen = hoher Informationsgehalt über die Form des Objekts)
  • Experiment: rote Blutkörperchen, Laser mit einem Puls alle 760 ns -> Frequenzen von > 100 MHz, korrekte Bestimmung von gesunden, sichelzell-anaemischen und Malaria-infizierten (geschwollene) roten Blutkörperchen
  • benötigt nur 21 Erythrozyten, und ist um Stunden schneller als klassische Tests (1 Tropfen Blut, ein Objektträger, ein Mikroskop & ein erfahrener Mensch)
  • Problem:
    • Es funktioniert zwar supergut mit roten Blutkörperchen, die wegen ihrer Form besonders gut Licht absorbieren,
    • aber nicht so gut bei weißen Blutkörperchen & Thrombozyten
    • diese sind aber auch mit Krankheiten assoziiert: Leukämie, oder Gerinnungsstörungen
    • daher kann die Technik klassische Tests wohl nicht ersetzen
  • Jemand Anderes meint aber, die Technik sei deswegen nicht nutzlos: Sie müsste, in Kombination mit einem ultravioletten Laser, prima zur Bestimmung von flottierenden Krebszellen geeignet sein

Die Stimmgabel des Lebens

  • hypothetischer Fall: Ein Mensch wird mit akuter bakterieller Sepsis ins Krankenhaus angeliefert
    • klassische Methode: Seine Überlebenschancen stehen schlecht, da sie auf langwierigen Wachstumsversuchen in Anwesenheit von Antibiotika basiert
    • die neue Methode: mikroskopische Cantilever (vergleichbar mit Stimmgabeln), mit denen man innerhalb von Minuten ein wirksames Antibiotikum identifizieren kann
    • die Schwingung des Cantilever wird via Laser überwacht
    • Test mit E. coli und Ampicillin:
        • bei sensitiven E. coli verringerte sich die Schwingung innerhalb von 5 Minuten nach Ampicillin-Zugabe um das 20-fache
        • bei resistenten E. coli war eine leichte Abnahme der Schwingung zu beobachten, die nach 15 min aber den normalen Wert wieder erreichte (die Bakterien erholten sich)
    • die Methode wird vermutlich erst in 5-10 Jahren ausgereift sein, da noch viele Tests noch notwendig sind:
      • welche Wirkungsgrade werden bei unterschiedlichen Bakterien erzielt? Und bei welchen Antibiotika?
      • wie beeinflussen die Viskosität und Dichte des Mediums die Schwingungen des Cantilevers?
      • Problem hierbei: Tests mit hochpathogenen Bakterien sind notwendig, welche spezielle Labors & langwierige Genehmigungen voraussetzen

Verdauung tut (Chili-Samen) gut

  • Tiere sind die Gärtner der Wälder (seed dispersal etc.)
  • Durch das Verspeisen & Verdauen von Früchten werden Samen nicht immer schlechter:
    • mal abgesehen von durch Zibetkatzen verspeisten Kaffeefrüchten gibt es ein neues Beispiel:
    • die Samen einer Chili-Art in Südamerika, die von einer kleinen Tyrannen-Art (das ist ein Vogel nicht unähnlich hier heimischen Schnäppern) gefressen werden, haben eine 4-fach höhere Keimungswahrscheinlichkeit als unverdaute Samen

Auflösung des Kuriosums und der Hausaufgabe aus KNS005

Buchbesprechung: “Letters To A Young Scientist” (Edward O. Wilson)

  • Koryphäe der Ameisenforschung (Taxonomie, Schwarmverhalten, Pheromone) uvm.
  • Autobiografie mit Fokus auf Motivation, Ablauf und Erkenntnisse der Forschung
  • Ratschlag zum Thema Technologien: entwickeln sich stets vom eigenen Forschungsfeld zur Standardaustattung. “[U]se but don’t love technology.
  • Ratschlag für’s Isolieren aller Ameisen aus einem Nest: “It occurred to me that if we simply excavated fire ant nests and dumped them and the soil into nearby pools of water, the colony would rise to the surface and gather as an ant-pure raft while the dirt settled to the bottom.”
  • Zitate:
    • [I]t is certainly all right and potentially very productive just to mess around. Quick uncontrolled experiments […] are performed just to see if you can make something interesting happen. Disturb Nature and see if she reveals a secret.
    • The ideal scientist thinks like a poet and only later works like a bookkeeper. Keep in mind that innovators in both literature and science are basically dreamers and storytellers. In the early stages of the creation of both literature and science, everything in the mind is a story.

Berufsperspektiven in der Biologie (Antwort auf Kommentar vom Specht)

  • BioLAGO-Artikel: Bachelor in der Tasche – und dann? “Berufsmöglichkeiten im Bereich der Biologie sind facettenreich.”
  • Datenanalyst in Softwarefirmen
  • K: Studium generale!
  • E. O. Wilson:
    • [G]o where the least action is occurring.
    • [I]t is necessary not only to acquire a broad knowledge of the subject that interests you, but also the ability to spot blank spaces in that knowledge.
    • Envy and insecurity are among the drivers of scientific innovation. It won’t hurt if you have a dose of them also.
    • [S]uccessful research doesn’t depend on mathematical skill, or even the deep understanding of theory. It depends to a large degree on choosing an important problem and finding a way to solve it, even if imperfectly at first.

Laberecke

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