Diesmal erklären Katrin & Mariëlle, weshalb die kambrische Artenexplosion Darwin den Schlaf raubte und mit welcher neuen Technik sich Winzer das Leben ein bisschen leichter machen könnten. Außerdem gibt es Neues zu berichten über Methoden zur Nutzung von Biomasse zur Energiegewinnung, und zur Bekämpfung eines gefährlichen Krankenhauskeims mittels eines Bakteriums und einer genialen Idee. Und wer immer schon wissen wollte, weshalb manche Mäuse keine Angst vor Katzen haben: Unbedingt Reinhören!
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Sendungsnotizen
Wissenschaftsnachrichten
Parasiten, Mäuse, Katzen
- Ingram WM, Goodrich LM, Robey EA, Eisen MB (2013) Mice Infected with Low-Virulence Strains of Toxoplasma gondii Lose Their Innate Aversion to Cat Urine, Even after Extensive Parasite Clearance. PLoS ONE 8(9): e75246.
- Toxoplasma gondii (Parasit & Protozoon): Endwirt sind Katzen, Zwischenwirte alle möglichen Wirbeltiere. ~1/3 der Menschheit ist infiziert.
- Der Parasit reduziert nachweislich die angeborene Angst von Nagetieren vor Katzen
- Die Studie in PloS ONE zeigt nun, dass dieser Effekt auch dann noch anhält, wenn der Parasit nicht mehr nachweisbar ist
- Im Menschen ist die Infektion korreliert mit Verhaltensänderungen und Schizophrenie
- Verdacht: Schizophrenie hängt zusammen mit der übermäßigen Produktion des Neurotransmitters Dopamin im Gehirn
- Experiment: Infektion von Mäusen mit Toxoplasma
- Verlust von Angst vor Katzen
- Parasiten waren modifiziert, so dass sie eine Immunreaktion hervorrufen -> die Mäuse überstanden die Infektion, und nach 4 Monaten war im Gehirn nichts mehr nachweisbar
- Die Furchtlosigkeit aber blieb: dauerhafte Änderung der Hirnstruktur?
- Zweifel: Sind tatsächlich die Zysten verantwortlich für die gesteigerte Dopamin-Produktion?
- Was heißt das für die Bekämpfung von Schizophrenie? Die Entwicklung von Zysten-zerstörenden Medikamenten könnte keinen Effekt haben.
- Wie also hängt die Infektion mit Toxoplasma überhaupt mit Schizophrenie zusammen?
Von Bioabfall in 10 Minuten (!) zu Braunkohle
- bekannt: hydrothermale Karbonisierung & Pyrolyse (Nachteile: Überdruck notwendig, langsam)
- neu: BSP = Biomass steam processing (Vorteile: Atmosphärendruck reicht; geringere Kohlenstoffverluste; Wassergehalt egal; trotzdem schneller)
- Verkohlung der Biomasse durch Bedampfen mit 250-400°C heißem, “trockenen” Wasserdampf
- <30% Verlust von Kohlenstoff-haltigen Gasen durch Rückführung im Reaktor
- Einlagerung (“CCS 2.0″) oder CO2-neutrale Verbrennung der “Biokohle”
- Weiterverarbeitung möglich, z.B. zu Aktivkohle (Katalysator)
- Gesamtökobilanz noch unklar
Die evolutionäre Uhr tickte früher schneller
- Darwin hatte ein theoretisches Problem: Er konnte die ‘kambrische Explosion’, die Entstehung einer großen Artenvielfalt scheinbar aus dem Nichts, mit seiner Evolutionstheorie nicht erklären
- Man kann anhand von morphologischer & genetischer Variation zwischen zwei Organismen die Mutationsrate bestimmen (Wie schnell tickt die evolutionäre Uhr?)
- Forscher haben das nun für die kambrische Explosion getan
- Untersuchung der Arthropoden (Gliederfüßer): 62 Gene, 395 morphologische Charakteristika, z.B. für Hundert- und Tausendfüßer
- in den basalen Gliedertiergruppen änderte sich der genetische Code um 0.117% pro 1 Mio Jahre
- das ist 5.5-mal so schnell als in modernen Gruppen von Gliedertieren (z.B. Insekten)
- Erklärung für die schneller tickende Uhr: Anatomie & Gene entwickelten sich zur gleichen Zeit und die evolutionäre Erfindung von z.B. Kiefern und Exoskeletten eröffneten neue, unbesetzte Nischen -> schnelle Radiationen
Infrarotspektroskopie in der Weinherstellung
- Problem: manuelle Probennahme & -aufbereitung in Winzerei zu langsam
- Lösung: Nahinfrarotspektrometer ermittelt Inhaltsstoffe der Traubenmaische im Vorbeifließen
- Spektroskopie allg.: elektromagnetische Strahlung regt Moleküle in der Probe zum Schwingen an => Abgleich der gemessenen Schwingungen mit Datenbank bekannter Substanzen
- Kalibrierung nötig & möglich: auf Substanzen von Interesse, Anbaugebiet, Jahrgang etc.
- neue Möglichkeiten: schnellere Qualitätskontrolle & kontinuierliche Überprüfung des Gärprozesses
Spezialagent in Ausbildung
- Pseudomonas aeruginosa ist gefürchtet. Es ist klein, weit verbreitet, und mittlerweile resistent gegen eine ganze Reihe von Antibiotika. Die gefährlichste Waffe: Lungenentzündung. Besonders perfide: Kolonien von P. aeruginosa schützen sich mit einer für Antibiotika undurchdringlichen Schleimschicht.
- Matthew Chang hat sich an die Ausbildung eines Spezialagenten gegen P. aeruginosa gewagt. Gestatten: coli, Escherichia coli.
- Diese spezielle Form des genetisch modifizierten E. coli-Bakteriums hat es in sich:
- Es hat einen Sensor für ein Messenger-Protein, das P. aeruginosa zur Kommunikation benutzt (quorum sensing), und kann daher die Kolonie aufspüren (chemotaxis)
- Gleichzeitig aktiviert das Protein das Waffenarsenal:
- Das Enzym DNAse I greift die Schleimschicht an und macht sie durchlässig
- Das Peptid Microcin S tötet die Erreger
- Das funktioniert in Mäusen fantastisch, und wirkt innerhalb von Stunden
- Vorteil gegenüber Antibiotika:
- gezielt und dadurch harmlos gegenüber benigner Bakterienflora
- kommt selbst gegen Biofilme an
- Präventivschläge sind möglich
- Was hindert uns daran, es bereits jetzt einzusetzen?
- Es ist ein genetisch modifizierter Organismus und unterliegt somit strengsten Kontrollen
- viele Tests sind notwendig, um die Wirksamkeit beim Menschen zu bestätigen und Gefahrenquellen auszuschließen
Kurzmeldung: Bound for Glory
- Die Entwicklung eines Impfstoffes gegen das HI-Virus wird schon seit 30 Jahren sehnsüchtig erwartet. Dummerweise ist das Virus hoch variabel und bietet kaum Angriffspunkte.
- Jetzt haben Forscher einen Antikörper entdeckt, der gegen über 100 HI-Virenstämme zu funktionieren scheint!
- Jetzt muss man nur noch einen Impfstoff finden, der die Produktion dieser ‘broadly neutralizing antibodies’ stimuliert…
UN-Bericht über Chemiewaffeneinsatz in Syrien nennt keine Verantwortlichen
- höre KNS009 für Vorgeschichte
- Arbeitsweise der Inspektoren offenbar streng wissenschaftlich: keine unbeweisbaren Schlussfolgerungen
- faktische Ansatzpunkte: Einschlagswinkel und -richtung, technische Merkmale der Munitionsreste
- militärisches Wissen über Abschussstelle, Verfügbarkeit der Munition, etc. nötig für Schlussfolgerung auf Verantwortliche
- (voll realisiertes) Risiko: Interpretationsspielraum, siehe Tagesschau-Meldung:
Russland und Frankreich kommen trotz des UN-Berichts zu völlig verschiedenen Schlussfolgerungen […]
Empfehlungen
- Blog des Virologen Jonas Waldenström
- Nerds.fm Folge 11 erklärt die Funktionsweise eines Planetariums
- DRadio-Sendung “Über Schubladen – Biologen kämpfen mit dem Art-Begriff” (Dank an @blackmac42!)
- generelle Empfehlung für “Wissenschaft im Brennpunkt” (Podcast-Feed)
Nachrichtenquelle
- BIOPRO: Biotechnologie und Life Sciences Portal Baden-Württemberg (@BIOPRO_BW auf Twitter)
Hausmeisterei
- aFlattr nicht mehr für Unterstützung nutzbar => bei Amazon beschweren
- Warum haben wir eine Eule im Logo? Instant-Erratum: Das Logo der Max-Planck-Gesellschaft stellt allerdings ihr römisches Gegenstück Minerva dar.
- Es gab Beschwerden über Geschwurbel und wenig zielstrebigere Erklärungen. Hier sind unsere Verbesserungsvorschläge. Kommentare willkommen!